Basstölpel auf Helgoland
Schon lange spielte ich mit dem Gedanken, die kleine Nordseeinsel Helgoland zu besuchen. Helgoland liegt von der Küste bei Sankt Peter-Ording 48,5 Kilometer vom Festland entfernt.
Im Vorfeld hatte ich schon viel über die Vogelwelt auf Helgoland gelesen und war dementsprechend gespannt.
Andererseits gab es auch wilde Seekrankheitsanekdoten über die Fährfahrt zur Insel, die mich durchaus etwas verunsicherten. So stand ich also mit flauem Magen eines Morgens am Hafen von Cuxhafen und beäugte mit gemischten Gefühlen den Katamaran, der mich in 75 Minuten nach Helgoland transportieren sollte.
Meine Bedenken waren völlig unbegründet. Trotz recht starkem Seegang wurde ich glücklicherweise (im Gegensatz zu einigen anderen armen Passagieren) nicht Seekrank und freute mich auf den Tag auf Helgoland. Der Plan war ursprünglich, zuerst den Lummenfelsen aufzusuchen und dort etwa zwei Stunden zu fotografieren. Danach sollte es noch auf die schöne Nachbarinsel "Düne" gehen. Dieser Plan ging allerdings nicht auf, denn aus zwei Stunden am Lummenfelsen wurden fünf Stunden, so daß keine Zeit mehr für den Trip zur Düne blieb.
Vom Hafen aus war ich schon nach einem kurzen Fußmarsch von etwa 30 Minuten oben am Lummenfelsen angekommen und staunte nicht schlecht über das lautstarke Vogelspektakel, das ich dort zu sehen bekam. Hunderte von Vögeln kreisten um die Felsen, auf denen sich Basstölpel an Basstölpel drängelten.
So viele Vögel auf einem Fleck hatte ich tatsächlich nicht erwartet. Außerdem war ich überrascht, wie nah man den Vögeln kommt. Sie zeigen überhaupt keine Scheu vor dem Menschen und sitzen auf ihren Nestern an den Klippen direkt vor den Besuchern. Im Grunde braucht man kein Teleobjektiv um sie auf ein Bild zu bannen. Ein Handy oder ein Weitwinkelobjektiv sind völlig ausreichend.
Als ich langsam aus dem Staunen wieder herauskam, fing ich an einige Bilder zu machen. Die Basstölpel saßen nicht nur direkt zu meinen Füßen, sondern schwebten auch förmlich in kleinster Distanz vorbei. Je nach Windrichtung entstanden die reinsten Einflugschneisen, in denen sich die Vögel nacheinander zur Landung einreihten.
Basstölpel sind übrigens die einzige Tölpelart, die in Europa brütet. Seit 1991 findet man sie im Sommerhalbjahr auch in Deutschland auf der Insel Helgoland. Im Jahr 2021 wurden 1.458 Brutpaare auf der Insel geschätzt, was eine Steigerung zum Vorjahr darstellt.
Eine andere interessante Vogelart, die man auf Helgoland findet, ist die Trottellumme. Die meisten Trottellummen sitzen eine Etage unterhalb der Basstölpel in den Felsen und sind nicht auf ganz so geringe Entfernung zu beobachten. Vereinzelt findet man die Lummen auch zwischen den Basstölpeln, die deren Anwesenheit allerdings nicht schätzen.
Mit Glück findet man zwischen den vielen Lummen auch einen Tordalk. Dieser Vogel sieht der Trottellumme auf den ersten Blick recht ähnlich. Bei genauerem Hinsehen kann man den Tordalk anhand eines weißen Streifens gut von der Trottellumme unterscheiden, der sich vom Schnabel bis an die Augen zieht. Außerdem ist der Schnabel deutlich dicker und höher als der Schnabel der Trottellumme.
Neben Basstölpeln, Trottellummen und Tordalken ziehen Dreizehenmöwen und einige wenige Eissturmvögel ihre Kreise zwischen den Klippen. Genau wie die Basstölpel brüten Eissturmvögel in Deutschland nur auf Helgoland. Allerdings gab es 2021 nur noch 25 Brutpaare auf der Insel, denn durch zu viel Plastikmüll im Meer, die Fischerei mit Langleinen und ein schlechtes Nahrungsangebot nimmt der Bestand drastisch ab. Eissturmvögel ziehen pro Jahr nur ein Junges auf und werden erst in einem Alter von acht bis zwölf Jahren geschlechtsreif. Deshalb nimmt man an, daß die Vögel in Deutschland aussterben werden.
Im Gegensatz zu den Eissturmvögeln steigen zwar die Brutbestände der Basstölpel, allerdings leiden auch sie unter dem vielen Plastikmüll, der im Meer herumtreibt. Sie sammeln den Müll und tragen ihn in ihre Nester, weil sie den Müll wahrscheinlich mit Algen oder Seetang verwechseln, den sie zum Nestbau benutzen. Man findet derartigen Plastikmüll in annähernd jedem Basstölpelnest.
Die Vögel können sich dann zum Beispiel in Resten von Fischernetzen verfangen und daran verenden. Das betrifft sowohl die Elternvögel als auch die jungen Basstölpel.
Basstölpel legen pro Brutsaison nur ein einziges Ei. Wenn sich zwei Eier in einem Nest befinden, wurde eines entweder von einem anderen Weibchen gelegt oder aus einem fremden Nest entwendet. Geht das Ei verloren, kann das Weibchen ein weiteres Ei legen. Beide Elternvögel beteiligen sich am Bebrüten des Eis. Die Brutdauer beträgt zwischen 42 und 46 Tage. Das Ei wird von den Elternvögeln mit ihren Füßen bebrütet, indem sie das Ei damit umklammern.
Ist das Küken geschlüpft, wird es auf den Füßen gehudert. Die Jungvögel bleiben bis etwa zum 75. Lebenstag im Nest.
Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch nicht flugfähig und segeln vom Brutfelsen bis auf das Meer herunter. Ein Start von der Wasseroberfläche aus gelingt ihnen erst einige Zeit später. Solange treiben sie auf dem Meer herum und müssen das Fliegen und das Fischen lernen.
Das Gefieder der jungen Basstölpel ist dunkel und wird mit jedem Jahr heller, bis es rein weiß ist. Die Flügelspitzen sind schwarz.
Es werden nach Expertenmeinung 89 bis 94 Prozent der jungen Basstölpel flügge. Allerdings erreichen nur etwa 30 Prozent dieser Jungvögel die Geschlechtsreife. Diese erreicht ein Basstölpel mit fünf Jahren, wobei die Paarbildung schon früher beginnt.
Die Brutpaare finden sich jedes Jahr wieder am Brutort zusammen, auch wenn sie ausserhalb der Brutzeit getrennte Wege "gehen" und diese Zeit auf dem offenen Meer verbringen.
Die Lebenserwartung der Vögel beträgt in etwa 16 Jahre, allerdings wurden auch schon einzelne beringte Exemplare mit über 24 Jahren gefunden.
Wenn man diese eleganten Flieger in der Luft beobachtet, kann man sich nicht so recht erklären, warum sie den Namen "Tölpel" tragen. Eher tölpelhaft wirkt zum Teil dann aber die Landung. Und auch der Start vom Wasser oder vom flachen Land aus kann unbeholfen aussehen.
Eine weitere Erklärung für die Namensgebung der Tölpel findet sich bei den Seefahrern der Vergangenheit, die Vögel aus der Familie der Tölpel als "Dummköpfe" bezeichneten, weil sie wegen ihrer Zutraulichkeit auf den Fischerbooten landeten, einfach einzufangen waren und sich sogleich als schmackhafte Mahlzeit auf den Tischen der Seeleuten wiederfanden.
Beim Basstölpel bezieht sich der Name außerdem auf die große Brutkolonie vor der
schottischen Küste, die auf der Felseninsel Bass Rock liegt.
Es handelt sich bei Basstölpeln um recht große Vögel, die bis zu 110 cm groß werden und eine Spannweite von 180 cm haben können. Männchen und Weibchen sind gleich groß und unterscheiden sich in der Gefiederfärbung nicht voneinander. Sie besitzen wasserabweisendes Gefieder, das sie mich einer wachsartigen Absonderung der Öldrüsen einfetten. Der Kopf-, Nacken- und der seitliche Halsbereich sind gelb gefärbt, wobei es auch Exemplare ohne diese Färbung gibt.
Basstölpel fangen ihre Nahrung, indem sie aus der Luft mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/h im Sturzflug ins Wasser eintauchen. Diese Technik nennt man Stoßtauchen, wofür die Basstölpel durch ihren Körperbau gut angepasst sind.
Sie haben zum Beispiel keine äußeren Nasenlöcher. Ihre Nasenlöcher liegen innen und können beim Tauchen durch bewegliche Klappen verschlossen werden.
Die Ohrenöffnungen sind sehr klein und können noch weiter verschlossen werden. Das Brustbein der Vögel ist kräftig, so daß es die Eingeweide beim Aufprall auf das Wasser gut schützt. Meistens bleiben Basstölpel etwa 20 Sekunden unter Wasser und verschlucken ihre Beutefische unter der Wasseroberfläche.
Alles in Allem sind es sehr interessante Vögel, die man sonst nirgendwo in Deutschland zu Gesicht bekommt. Man sollte wissen, daß die Touristenfrequenz auf Helgoland recht hoch sein kann, vor allem in den Sommermonaten und um den Lummensprung herum, der im Juni stattfindet. Dabei stürzen sich die Trottellummen-Küken von den 40 Meter hohen Klippen hinunter ins Meer, ohne fliegen zu können. Dieses Spektakel lockt viele Touristen und Vogelbeobachter nach Helgoland.
Möchte man dem Trubel entgehen, muß man auf den Lummensprung und auf die sommerlichen Temperaturen verzichten. Ich habe die erste Maihälfte für meinen Besuch gewählt und bin unter der Woche auf die Insel gereist. An den Wochenenden ist naturgemäß natürlich auch viel Betrieb auf Helgoland. Im Mai war die Menschendichte relativ gering und so konnte ich einen entspannten Tag auf der Insel verbringen.
Vogelfotografie Reise
Helgoland